7. Mittel zur Erlangung der Demut
1. Um in uns den Geist der Demut zu begründen, müssen wir nicht nur rückwärts, sondern auch vorwärts blicken. Wie viel Grund haben wir, uns zu verdemütigen, wenn wir daran denken, daß wir uns einst vor dem Richterstuhl Gottes zu verantworten haben! Wie kann ich, mit so manchen Sünden beladen, es wagen, vor Sein Angesicht zu treten, das die geheimsten Falten meines Herzens durch schaut, vor dem nichts verborgen bleibt? Wie kann ich vor jenem Gott erscheinen, der Zeuge gewesen ist von so manchen Taten, die den Augen der Welt verborgen geblieben, von so vielen bösen Gedanken, die nie ans Tageslicht getreten sind? Ja, wahrlich, wenn ich an den Tag des Gerichts denke, habe ich allen Grund mich zu verdemütigen.
2. Nichts wird mich dann so beschämen, als mein Stolz. Nichts wird so das Angesicht meines Richters im Zorn von mir abwenden. Wenn Gott den Stolzen widersteht, wie kann ich dann jenem Tage ohne Furcht und Zittern entgegensehen? St. Theresia sagt, daß, so oft sie gewürdigt worden, ihren Herrn in einer Vision zu schauen, ihr erster Gedanke gewesen sei, wie schrecklich es sein werde, Seinen Zorn auf sich geladen zu haben. Unfehlbar wird sich aber derselbe gegen mich entladen, wenn ich nicht Demut lerne. O Gott, mache mich um jeden Preis demütig.
3. Welches wird aber die Strafe für den Stolz sein, wenn er bis zu schwerer Sünde ging? Das Feuer der Hölle, das dem Teufel und seinen Engeln einzig und allein des Stolzes wegen bereitet wurde. Und niemand wird so gefoltert werden als der Stolze, nicht der Unmäßige, nicht der Unreine und Wollüstling sofern ihre Schlechtigkeiten nicht mit Stolz vermischt werden. O mein Gott, wenn nichts anderes imstande ist, mich wahrhaft demütig zu machen, dann verleihe, daß wenigstens der Gedanke an die Hölle, die den Stolzen bereitet ist, jenes in Deinen Augen so verabscheuungswürdige Laster in mir ertöte!
entnommen aus: Die Schule der Demut, R. F. Clarke SJ, Imprimatur Münster, 27. Februar 1900