Das Wessobrunner Gebet

Quelle: Bayerische Staatsbibliothek München
Originaltext
„Dat gafregin ih mit firahim firiuuizzo meista
Dat ero ni uuas noh ufhimil
noh paum noh pereg ni uuas
ni [...] nohheinig noh sunna ni scein
noh mano ni liuhta noh der mareo seo

Do dar niuuiht ni uuas enteo ni uuenteo
enti do uuas der eino almahtico cot
manno miltisto enti dar uuarun auh manake mit inan
cootlihhe geista enti cot heilac [...]

Cot almahtico, du himil enti erda gauuorahtos enti du mannun so manac coot forgapi forgip mir in dina ganada rehta galaupa enti cotan uuilleon uuistom enti spahida enti craft tiuflun za uuidarstantanne enti arc za piuuisanne enti dinan uuilleon za gauurchanne“



 
Neuhochdeutsch

„Das erfuhr ich unter den Menschen als der Wunder größtes,
Dass Erde nicht war, noch Himmel oben,
Nicht Baum noch Berg nicht war,
Noch [...] irgend etwas, noch die Sonne nicht schien,
Noch der Mond nicht leuchtete, noch das herrliche Meer.

Als da nicht war an Enden und Wenden,
Da war der eine allmächtige Gott, der Wesen gnädigstes,
Und da waren mit ihm auch viele herrliche Geister.
Und Gott, der heilige [...]

Gott, Allmächtiger, der Du Himmel und Erde erschaffen hast und den Menschen so viele gute Gaben gegeben hast. Gib mir in Deiner Gnade rechten Glauben und guten Willen, Weisheit und Klugheit und Kraft, dem Teufel zu widerstehen, und das Böse zu meiden und Deinen Willen zu verwirklichen.“
 
 Quelle: Wikipedia
 
 
 
Pergament, 99 Blätter, Bistum Augsburg, vor oder um 814
 
Das Gebet ist in bairischer Schreibsprache von einem Kompilator unter Aufnahme niedersächsischer Anklänge bald nach 800 in früh- karolingischer Schrift in den Codex mit lateinischen Texten eingefügt worden. Es besteht aus zwei Teilen: Auf das älteste deutsche Stabreimgedicht, den so genannten „Wessobrunner Schöpfungshymnus“, folgt in frei rhythmisierender Prosa das eigentliche Gebet. Dieses schließt eine Bitte um Kraft ein, dem Teufel zu widerstehen und das Böse zu meiden.  
Den Stabreim hat der erste Teil mit nur wenigen anderen altdeutschen Dichtungen gemeinsam. Nicht bekannt ist, woher der Schreiber die lateinischen Texte hatte.
Der Schriftstil lässt auf ein Kloster in der Diözese Augsburg schließen. Gefunden wurde der Text in Wessobrunn bei Weilheim. Dieser Ort gab dem Codex den Namen. Die Handschrift kam 1803 im Zuge der Säkularisation in die Bayerische Staatsbibliothek.
 
Quelle: Bayerische Staatsbibliothek München